Die Mathematik hinter der Kantonsratswahl

Anfang April hat die PAM-Klasse 5e das Statistische Amt des Kantons Zürich besucht, um das Doppelproporz-Verfahren kennenzulernen. Nach diesem wird in einigen Kantonen der Schweiz der Kantonsrat gewählt.

Besuch beim Statistischen Amt des Kantons Zürich. Rechts Daniel Bierer vom Data Engineering Team.

Wie kann man faire Wahlen und Abstimmungen organisieren? Und welche mathematischen Überlegungen und Methoden braucht es dafür? Mit diesen Fragen hat sich die Klasse 5e in der Angewandten Mathematik seit den Sportferien beschäftigt –angefangen bei den Ideen von Platon im antiken Griechenland, über die Wahl von Äbtissinnen im Mittelalter bis zu den ersten Wahlsystemen der USA und dem Verfahren von Hagenbach-Bischoff, mit dem der Schweizer Nationalrat bestimmt wird. Als krönenden Abschluss haben die neun Schüler:innen der Klasse Anfang April das Statistische Amt des Kantons Zürich besucht. Dieses ist für die Organisation der Wahlen und Abstimmungen des Kantons zuständig und nimmt eine Pionierrolle ein bei der Entwicklung neuer Wahlmathematik: Sie hat das doppeltproportionale Zuteilungsverfahren (kurz: Doppelproporz) erstmals weltweit eingeführt. Mittlerweile wird das Verfahren auch von anderen Kantonen verwendet.

Der Doppelproporz wurde nötig, weil das Bundesgericht das früher verwendete Verfahren als verfassungswidrig eingestuft hatte. Stephan Ziegler, Abteilungsleiter Wahlen und Abstimmungen des Statistischen Amtes, erklärte der Klasse, wie es dazu kam: Im Kanton Zürich gibt es einige sehr kleine Wahlbezirke, zum Beispiel Andelfingen mit nur 4 Kantonsratssitzen. In einem solchen Bezirk lohnte es sich früher nicht, für eine kleine Partei zu stimmen, denn diese würde ohnehin keinen Sitz erhalten, wenn sie nicht etwa 25 Prozent der Stimmen sammeln könnte. Man war also entweder in seiner Auswahl beschränkt oder die eigene Stimme war nichtig. Das Bundesgericht sah das als unfair an, und so wurde eine Reform des Verfahrens nötig.

Im Auftrag des Kantons Zürich entwickelte der deutsche Mathematiker Friedrich Pukelsheim ein neues Verfahren, das dieses Problem löst. Das Verfahren priorisiert eine faire Zuteilung der Sitze nach Parteien über den gesamten Kanton. Erst in einem zweiten Schritt werden die Sitze dann auf die Wahlbezirke verteilt. Mit Hilfe von Daniel Bierer vom Data Engineering Team des Statistischen Amts konnten die Schüler:innen die interessante Mathematik hinter dem Doppelproporz verstehen und den Algorithmus kennenlernen, der die Sitzzuteilung berechnet. Auch ich als Lehrerin habe noch einiges gelernt: Zum Beispiel, in welchen speziellen Fällen im Kanton Zürich ein Losverfahren zum Einsatz käme.

Bei den nächsten kantonalen Wahlen im Jahr 2027 werden die Schüler:innen der Klasse erstmals den Kantonsrat mitwählen können, da sie dann alle volljährig sind. Nun verstehen sie auch, wie ihre Stimmen in Parlamentssitze umgerechnet werden. Wir danken dem Statistischen Amt herzlich dafür, dass dieser lehrreiche Besuch möglich war!

Hanna Wick, Mathematiklehrerin

Weiterführende Links:
https://www.zh.ch/de/direktion-der-justiz-und-des-innern/statistisches-amt/wahlen-und-abstimmungen.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Doppeltproportionales_Zuteilungsverfahren#Hintergrund