Freitag, 14. November 2025 – ein schöner, überraschend sonniger Tag. Und was bedeutet das für uns auf dem Dach der KUE? Gegen Mittag bereits 278 Kilowattstunden Solarenergie [1], über 317 kWh bis zum Tagesende trotz aufkommender Wolken. Ist das viel oder wenig? Kommt darauf an, worüber man nachdenkt. Ich möchte aufzeigen, wieso dies im Zusammenhang mit der Künstlichen Intelligenz, der KI, eine Rolle spielt.
Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz arbeiten wir gegen die Uhr: Wenn wir Prozesse nicht sorgsam gestalten und KI ohne Bewusstsein für ihre Auswirkungen nutzen, verbrauchen wir nachhaltige Energie, bevor sie überhaupt produziert werden kann, und so müssen wir den Rest mit weniger nachhaltigen Quellen decken. Das Verbrauchen von nicht-nachhaltigen Quellen beschleunigt Entwicklungen, die wir längst spüren: Rekordwerte in warmen Herbstmonaten, Extremwettersituationen oder schmelzende Gletscher. Es tickt nicht nur die Planetenuhr im Takt von tropfenden Gletschern, auch der Stromzähler tickt unerbittlich.
Woher kommt das Energieproblem bei der KI? Die Ursachen variieren stark, aber exemplarisch lässt sich ChatGPT betrachten – jenes Modell, das im Moment weltweit den Diskurs prägt. Fundamentale Grundlagen sind Millionen von mathematischen Gleichungen. Je mehr wir von den Chatbots wissen wollen, desto öfter müssen sie diese Gleichungen für uns durchrechnen. Jedes Mal, wenn ein Chatbot ein Update bekommt, werden alle Gleichungen nochmals neu aufgestellt und neu konfiguriert. Das ist dann das sogenannte KI-Training. Lange ging man davon aus, dass vor allem das Trainieren der KI den Energieverbrauch dominiert. Seit ChatGPT jedoch weltweit genutzt wird, zeigt sich ein anderes Bild, denn auch die Nutzung verschlingt enorme Energiemengen. Ein Vergleich hilft: Google liefert bei 14 Milliarden Anfragen täglich seine zahlreichen Suchergebnisse innerhalb von Millisekunden. Warum wartet man bei ChatGPT Sekunden oder sogar Minuten? Weil dort energieintensive Kalkulationen ausgeführt und nicht bloss Daten abgerufen werden.
Die tiefste Schätzung für eine kleine ChatGPT-Anfrage (<100 Wörter) liegt bei 0.3 Wh [2]. Das ist wenig – bis man es hochrechnet. Bei rund 2.5 Milliarden Anfragen pro Tag [3] verbraucht man im besten Fall innert 45 Tagen so viel Energie, wie die gesamte Schweiz in einem Jahr nachhaltig produziert: 34 TWh [4] (122'230 TJ, Stand 2022, Bundesamt für Energie). Und dieser Idealfall ist unrealistisch: Die meisten von uns geben wesentlich mehr als 100 Wörter ein.
Noch intensiver wird es, wenn ChatGPT Dokumente durchsieht, Recherchen anstellt oder Videos analysiert. Medien greifen solche Zahlen gerne in Vergleichen auf, beispielsweise wie «30 Minuten Mikrowelle» oder «1 Stunde Haushalt». Anschaulicher ist ein Blick auf unser eigenes Dach. Mit einer Menge von 317 MWh, die die Solaranlage auf dem KUE-Dach über das ganze bisherige Jahr produziert hat, könnten alle Schüleri:nnen und Lehrpersonen zusammen ab jetzt noch rund 1 Milliarde Kurzanfragen an ChatGPT stellen, bevor dieser Strom verbraucht ist. Das klingt nach viel bis Ende Jahr, oder? Aber das heisst gleichzeitig auch, pro Person an dieser Schule max. 100 mittlere oder sogar nur 8 grössere Anfragen. Wie viele von uns schaffen das aber bereits jetzt in kürzester Zeit? Das durchschnittliche Dokument im Unterricht enthält sicherlich mehr als 100 Wörter und die meisten Bücher überschreiten ohne Probleme die Grössenordnung der 75'000 Wörter für die grösste Anfrage.
Schon bald steht die Winterthemenwoche mit dem Thema «Künstliche Intelligenz» vor unserer Tür. Wie viele dieser Fragen wir da schon an ChatGPT stellen werden, weiss ich noch nicht. Ich schätze, der Grossteil dieses «Kontingents» wird verbraucht sein. Wir signalisieren ausserdem Firmen wie OpenAI damit, dass wir glücklich mit dem Ergebnis ihres Stromverbrauchs und der fehlenden Transparenz zum Einzelverbrauch sind, und – was in diesem Wochenbrief komplett weggelassen wurde – alle zusätzlichen Verbrauche (Kühlung der Datenzentren, Energieverbrauch besagter Trainings, Häufigkeit der Trainings etc.). Nach derzeitigem Trend bringen sie auch deshalb schon bald ein neues Modell mit noch grösseren Gleichungen auf den Markt und bauen weitere Datenzentren auf. Und die Uhr tickt weiter.
Wie so oft im Ingenieurswesen und im Leben gilt: Zu jeder Sache gibt es immer Aktionen und Reaktionen. Als Lehrperson ist es mir vor allem wichtig, neutral für beide Seiten ein Bewusstsein zu schaffen und aufzuklären. In Diskussionen hierbei sind die folgenden Fragen aufgekommen: Ist diese Situation, in welcher wir uns nun befinden, der Person zu verschulden, die ein Gratistool benutzt? Oder liegt die Verantwortung bei der Firma, die ein solches Tool gratis anbietet? Welche Verantwortung liegt bei uns als Schule? Als Informatiklehrperson überlasse ich die ersten, mehrheitlich philosophischen Fragen lieber den Lesenden. Die Rolle der Schule im ökologischen Fussabdruck dagegen ist – gemeinsam mit den in den letzten Wochenbriefen aufgeworfenen Fragen – eine weitere Facette des KI-Diskurses, den die KUE dieser Tage führt und führen muss.
Guido von Burg
WB_37_2025
[1]: https://uni001eu5.fusionsolar.huawei.com/pvmswebsite/nologin/assets/build/cloud.html#/kiosk?kk=sFwqxts6EQBBe2JcvHI0wCpqrFgDxcCM
[2]: https://epoch.ai/gradient-updates/how-much-energy-does-chatgpt-use
[3]: https://www.it-daily.net/shortnews-en/this-is-how-many-prompts-users-enter-in-chatgpt-every-day
[4]: https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/erneuerbare-energien/biomasse.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvMTE0NDg=.html