«Es geht ums Gespür»

Filip Mihajlovic ist Fussballschiedsrichter und KUE-Lehrer für französische Sprache – beides auf hohem Niveau.

Filip Mihajlovic (Mitte). Links Nationalspielerin Coumba Sow.

Er kommt gerade aus einer anspruchsvollen Französischlektion: «Ich musste einen Schüler nach drei Ermahnungen bitten, den Raum zu verlassen.» Die Situation beschäftigt ihn, auch wenn der 24-jährige Rorschacher, der aktuell im Masterstudium steht und das Lehrdiplom erwirbt, weiss: Unterricht besteht aus vielen kleinen, oft spontanen Entscheidungen, die nicht immer eindeutig richtig oder falsch sind.

«Durfte ich diesem Schüler die Rote Karte zeigen?», fragt er sich und leitet mit dieser Metapher elegant zum Fussballschiedsrichter über. Mihajlovic pfeift bei den Männern in der vierthöchsten Liga («1. Liga Classic»), manchmal auch bei den Frauen in der «Women‘s Super League».  

Was verbindet Schule und Fussball? «Nahbarkeit ist bei beidem wichtig, ich muss mit einer Klasse und den Fussballteams eine Bindung aufbauen, nur so gibt es Vertrauen, und Entscheide werden akzeptiert, auch wenn ich mal falsch liege. Und nur so gibt es eine gute Lektion respektive ein gutes Spiel. Einer unnahbaren oder sogar arroganten Person verzeihe man dagegen keine Fehler »

Auch die Vorbereitung einer Lektion und eines Spiels könne man vergleichen: «Ich kann vor einem Spiel lange die Spielerinnen oder Spieler studieren und vor einer Lektion alles minutengenau vorbereiten.» Das mache er aber eher nicht. Die wichtigen Punkte einer Lektion oder eines Spiels kenne er natürlich, es komme aber immer anders, als er gedacht habe. «Ich vertraue auf Intuition und Improvisation. Es geht ums Gespür, man muss Situationen schnell einschätzen und den richtigen Weg finden.»

Zum Fussball kam Mihajlovic durch den FC Rorschacherberg, wo auch sein Schiri-Talent entdeckt wurde. Bereits als 15-Jähriger leitete er Spiele mit über 30-jährigen Fussballern. «Ich pfiff in der Ostschweiz unter Flutlicht Regionalspiele, bei denen sowohl die Teams als auch das Publikum meine Entscheide kritisierten», erinnert er sich. «Muss der nicht schon im Bett sein?», lautete damals einer der harmloseren Kommentare. «Von da stammt vielleicht mein Selbstvertrauen, dass ich auch schwierige Spiele leiten kann.» Daher auch das Selbstvertrauen, fordernde Schullektionen zu leiten.

Zum Schluss betont er, dass er nicht «Französischlehrer» sei, sondern «Lehrer für französische Sprache». Die Bezeichnung «Französischlehrer» wecke falsche Assoziationen: «Es geht nicht allein ums Wörtchenlernen, sondern um Esprit und neue Perspektiven.» Im Klassenzimmer wie auch auf dem Fussballplatz, möchte man hinzufügen.