«Wir waren keine Menschen»

Der Holocaust-Überlebende Egon Holländer erzählte den 5. Klassen von seinen erschütternden Erfahrungen in den KZs Ravensbrück und Bergen-Belsen.

Auschwitz. (Piotr Zakrzewski auf Pixabay)

«Ich habe die totalitären Systeme auf meiner eigenen Haut erlebt», sagt Egon Holländer vor den aufmerksamen und sehr stillen 5. Klassen am Donnerstag in der Aula der KUE. Er überlebte als Junge die KZ Ravensbrück und Bergen-Belsen, die Eltern starben dort. Der Sechsjährige roch 1944 das verbrannte Fleisch aus den Öfen in Auschwitz, als die Familie in einem Viehwaggon via Auschwitz nach Ravensbrück deportiert wurde. Bereits in den Waggons seien viele Menschen gestorben. Zuvor hatte sich die Familie mit Zyankali vergeblich zu vergiften versucht.

«Wir waren wandelnde Tote, nur noch Skelett und Haut», erinnert er sich an die Zeit in den KZs. Ernährt hat er sich von Buckeckern, den Früchten der Buche. Seine schlimmste Erinnerung war, dass er die Mutter, die an Typhus erkrankt war, in Bergen-Belsen angeschrien hatte, warum es denn nichts zu essen gebe. Kurz darauf starb sie.

Er erzählt in einem schönen, gepflegten Deutsch mit osteuropäischem Akzent. Ursprünglich stammt er aus der Tschechoslowakei und kehrte dorthin zurück, nachdem die Briten Bergen-Belsen befreit hatten. Den zweiten Totalitarismus, den er dort kennenlernte, war der Sozialismus. «Sozialismus ist der totale Stillstand», sagt Holländer, er habe eine Abneigung gegen totalitäre Ideologien. Er, der lange keine Schule besuchen konnte, erlangte trotz allem die Matura und studierte Chemie in Bratislava.

1968 flüchtete er mit seiner Frau während der Niederschlagung des Prager Frühlings in die Schweiz, wo ein «fantastisches Leben» begann. Er war gefragter Chemiker, reiste um die Welt und sei nun ein «glücklicher Rentner» mit zwei Kindern und drei Enkelkindern, wie er nicht ohne Schalk meint.

Die Frage einer Schülerin, ob er je wieder nach Bergen-Belsen gegangen sei, bejaht er. Vor 15 Jahren, aber es sei schwierig gewesen. «Der war nicht ich, der das erlebt hat», sagte er sich damals. Die Erinnerung an die unmenschliche Brutalität konnte er so verdrängen. Heute, mit genug Abstand, habe er aber die Pflicht, darüber zu reden. Der Jugend von heute rät er: «Bleibt kritisch und informiert euch. Fallt nicht auf Parolen von Extremisten herein, seien sie von links oder rechts.»