Bilder der Schule – Warten, bis man etwas sagen darf

Die Schule hat sich verändert, die Bilder von der Schule bleiben erstaunlich stabil.

Mehr dazu im Wochenbrief.

 

Letzte Woche war eine Filmcrew an der KUE, die im Rahmen eines Auftrags der Gemeinde Uetikon auch unsere Schule mit Bildern zeigen wird. Es war interessant zu sehen, mit welchen Vorstellungen von Unterricht die Filmleute ans Werk gingen.

Wir sprachen am Rande der Dreharbeiten denn auch über unsere eigene Schulzeit. Dabei wurde mir einmal mehr bewusst, wie stark sich die Bedingungen verändert haben.

Ich möchte das an einem Beispiel aus meiner Schulzeit veranschaulichen. Vor mehr als 40 Jahren erhielt ich im Geschichtsunterricht die Aufgabe, einen kurzen Vortrag über Savonarola zu halten. Als Unterlage bekam ich lediglich einen Eintrag aus einem historisch-biographischen Lexikon.

Das Thema faszinierte mich damals sofort. Dieser eifernde Prediger aus dem 15. Jahrhundert, der die Welt radikal verändern wollte und schliesslich verbrannt wurde, regte meine Fantasie an, brachte mich zu intensiver Arbeit und hinterliess eine bleibende Erinnerung. Die Basis für dieses starke Bildungserlebnis war sehr schmal: ein relativ kurzer Lexikon-Eintrag.

Bekäme heute ein Schüler oder eine Schülerin die Aufgabe, einen Vortrag über Savonarola zu halten, wäre die Ausgangslage völlig anders. Google liefert innerhalb weniger als einer Sekunde über 3 Millionen Treffer zu «Savonarola». Auch über Youtube findet man sofort Filme und Dokumentationen, mit denen man Stunden verbringen kann.

Dieser Befund ist nicht neu. Aber ich bin doch immer wieder erstaunt, dass sich die Bilder über den Unterricht trotzdem nicht verändert haben. Das Resultat der Google-Suche mit dem Stichwort «Schule» zeigt vermutlich genau die breit und tief verankerten Vorstellungen, wie «man» sich Unterricht vorstellt: eine Wandtafel, eine Lehrperson, Bänke, Schülerinnen und Schüler, die ihre Hände aufstrecken und warten, bis sie auch etwas sagen dürfen.

Das «Klassenzimmer» ist quasi die Materialisierung solcher Bilder von Unterricht. Jürg Berthold hat im letzten Wochenbrief darüber geschrieben.

Das Internet hat die Voraussetzungen des Unterrichts völlig verändert. Dabei steht für mich aber nicht nur die Frage der Verfügbarkeit des Wissens im Vordergrund. Der leichte Zugang zu allen möglichen Quellen kann sogar zum Problem werden, wenn er die Faktenmenge, welche Schülerinnen und Schüler bewältigen müssen, einfach ins Unendliche vermehrt. Es braucht eine Didaktik, welche dieser Gefahr Rechnung trägt.

Entscheidend ist, dass die Lehrpersonen Formen finden, welche den Jugendlichen die Gelegenheit geben, sich von einem Thema ergreifen zu lassen, um dann selber aktiv zu werden. Das Internet kann dabei zu einer grossartigen Fundgrube werden – allerdings nur wenn man lernt, mit den nötigen Recherchetechniken die Ergebnisse zu filtern.

Die starke Vorstellung von der Schule als Ort der Instruktion (ob über die Wandtafel oder über Powerpoint) ist aber ein Hindernis für einen modernen Unterricht. Die Schule müsste in erster Linie ein Ort der Aktivierung sein. Das geschieht über konzise fachliche Inputs, über geschickte Arbeitsaufträge, über persönliches Feedback, über geistvolle (Rand-)Bemerkungen, über Freiräume.

Ich hoffe, dass der Film, den die erwähnte Filmcrew nun mit den Bildern aus der KUE produziert, einen Unterricht zeigt, in dem die Lernenden aktiv sind, einen Unterricht, in dem sie etwas sagen und etwas tun.

Martin Zimmermann

Wochenbrief_2036