Confidence is Key

Im Zeitalter von KI müssen sich Schulen neu erfinden. Im Wochenbrief schreibt der Ex-Zivi Leo Waltenspül, wie «kalibriertes Selbstvertrauen» zur Schlüsselkompetenz wird.

Weniger ist mehr: Wer sich auf das Wesentliche konzentriert, schafft Raum für wirklich wichtige Aufgaben. Schon in meiner Schulzeit – und heute an der KUE – fragte ich mich: Was ist der Kernauftrag einer Kantonsschule? Wenn es nur eine einzige Fähigkeit gäbe, die alle Maturand:innen mitnehmen sollten, welche wäre das? Im Zeitalter der KI ist diese Frage drängender denn je. Während meiner Zeit an der KUE fand ich eine mögliche Antwort: Selbstvertrauen.

Genauer: «kalibriertes Selbstvertrauen» – die realistische Zuversicht, künftige Herausforderungen zu meistern, gepaart mit einem gesunden Selbstbewusstsein, also dem klaren Blick auf eigene Stärken und Schwächen. Doch wie vermittelt man diese Fähigkeit?

An der KUE begegnete ich immer wieder Schüler:innen, die durch ihre schnelle Auffassungsgabe und originellen Beiträge auffielen. Sie wagten sich an komplexe Themen heran und entwickelten eigene Gedanken dazu. Was sie verband, war eine unstillbare, intrinsische Neugier – der Motor nachhaltigen Lernens. Doch im Schulalltag wird diese oft vernachlässigt. Neugier braucht Selbstbewusstsein: die innere Sicherheit, vermeintlich dumme Fragen zu stellen, Irrtümer einzugestehen und neue Wege zu gehen. Besonders gut lässt sich diese Haltung durch anspruchsvolle, praxisnahe Fallbeispiele fördern, die reale Probleme aufgreifen.

Selbstbewusstsein und Neugier wirken wie zwei ineinandergreifende Zahnräder: Wer sich etwas zutraut, erkundet mutiger das Unbekannte. Wer sich an reale Herausforderungen wagt und diese meistert, stärkt sein Selbstvertrauen – ganz ohne künstliche Erfolgserlebnisse. Dabei zählt weniger das Wissen selbst, sondern die Fähigkeit, es effizient und flexibel zu erwerben und weiterzuentwickeln. Diese Kompetenz wird in Zukunft unverzichtbar sein.

Schüler:innen auf diesem Weg zu begleiten, heisst, Räume zu schaffen, in denen Fragen willkommen sind und Neugier sowie unkonventionelle Lösungen belohnt werden. Fehler werden als Lernchancen begriffen, Stärken gezielt genutzt, Schwächen systematisch angegangen. So entsteht ein Umfeld, in dem Entdeckergeist und selbstbewusstes Handeln Hand in Hand gehen – die Basis für nachhaltiges, lebenslanges Lernen.

Unser Ziel als Gesellschaft sollte sein, Gymnasien zu Orten zu machen, die junge Menschen mit dem Selbstvertrauen ausstatten, auch im KI-Zeitalter relevant zu bleiben. Viele Schüler:innen fürchten, ihr Wissen sei morgen schon veraltet. Prüfungen spielen hier eine Schlüsselrolle, denn sie prägen unmittelbar die Lernkultur (und damit den zu vermittelnden Inhalt). Sinnvolle Prüfungen sind realitätsnah, offen und integrieren KI-Werkzeuge, wo es möglich ist. Sie zeigen den Schüler:innen, dass ihre Fähigkeiten auch in komplexen, praktischen Situationen bestehen – und in wesentlichen Punkten die Leistung einer KI übertreffen. Dieses Erlebnis stärkt jenes Selbstvertrauen.

Mehr denn je brauchen wir Menschen mit gesundem Selbstbewusstsein: Persönlichkeiten, die mutig für ihre Überzeugungen eintreten, sich in der Welt behaupten und den technologischen Wandel aktiv gestalten. Wer seine Kompetenzen als anpassungsfähig und zukunftssicher erlebt, zeigt oft mehr Neugier, Agilität und Resilienz. Dieses Selbstvertrauen macht handlungsfähig – als reflektierte Konsument:innen, innovative Unternehmer:innen und engagierte Demokrat:innen. Ein Gewinn für eine offene, widerstandsfähige Gesellschaft.

Leo Waltenspül
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