Dear Math

Unsere Maturand:innen als Theaterregisseurinnen, Journalisten, App-Entwicklerinnen und NFT-Experten. Mehr dazu im aktuellen Wochenbrief.

"Dear Math, you make me feel inadequate.", "Dear Math, I really like you. But you don't come naturally to me.", "Dear Math, you are dreadful.", "Dear Math, although you've been difficult, I see the beauty of you.".

Diese Zitate stammen aus dem Projekt "Letters to Math" der Mathematiklehrerin Sarah Strong. Zu Beginn des Schuljahres lässt sie ihre Schüler:innen Briefe an die Mathematik verfassen. Darin beschreiben sie ihre Einstellungen und bisherigen Erfahrungen mit dem Fach. Im Gespräch über diese Briefe versucht sie als Lehrerin, die Beziehung der Jugendlichen zu ihrem Fach zu verstehen. Gemeinsam tauschen sie sich aus, mit welcher Identität sich die Lernenden im Mathematikunterricht sehen und welche Überzeugungen allenfalls den Lernfortschritt behindern. Mir gefällt diese Idee, mit einer Klasse in den Dialog über das Lernen zu treten. Sich mit den Identitäten und Selbstbildern der Schüler:innen zu befassen.

Dass die Beschäftigung mit Identität wichtig ist, haben auch die beiden Bildungsforscher:innen Jal Mehta und Sarah Fine festgestellt. In ihrem Buch "In Search of Deeper Learning" haben sie untersucht, wie Deeper Learning an US-amerikanischen High Schools ermöglicht werden kann. Unter Deeper Learning versteht man ein Set von Merkmalen der Schulbildung, welche die Lernenden befähigen, ein umfassendes Verständnis der wichtigsten akademischen Inhalte zu entwickeln, kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln, zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren, selbstverantwortlich zu lernen sowie eine akademische Denkweise zu entwickeln. Oft wird in diesem Zusammenhang auch von den 21st Century Skills gesprochen, den Kompetenzen für das 21. Jahrhundert.

Um vertieftes und nachhaltiges Lernen zu ermöglichen, sind gemäss Mehta und Fine drei Aspekte zentral: Mastery, Creativity und Identity.

Einerseits das Aneignen und Meistern von anspruchsvollem Wissen und Fertigkeiten in einem Fachgebiet.

Andererseits ist Kreativität gefordert, damit Schülerinnen und Schüler ihr Wissen auf neue Fragestellungen anwenden oder innovative Ideen entwickeln können.

Drittens muss Unterricht aber auch einen Bezug zur Identität der Jugendlichen herstellen und sie in ihrem Selbstbild berühren. Sie müssen sich in verschiedenen Identitäten auszuprobieren und sich diese zu eigen machen können. Beispielweise die Entwicklung von der Haltung "Ich lerne Klavier spielen" hin zur Überzeugung "Ich bin Klavierspielerin".

Bei der Lektüre dieses Buchs ist mir aufgefallen, wie wenig bewusst mir die Bedeutung dieses dritten Aspekts bisher war. Mein Fokus lag auf den anderen beiden Gesichtspunkten.

Rückblickend habe ich dann aber festgestellt: Die lebendigsten und dadurch vermutlich prägendsten Momente in meinem Unterricht waren oft diejenigen, wenn die Schüler:innen in eine Rolle schlüpfen konnten. Als Jungunternehmerin bei einem Start-up-Projekt, als Politiker in einer Arena-Debatte oder als juristische Beraterin, welche einem Kunden bei rechtlichen Problemen hilft.

Die Maturitätsarbeit bietet als ein längeres Projekt zum Abschluss der Zeit am Gymnasium auch eine Gelegenheit, diese drei Aspekte in einem selbst gewählten Thema zu vertiefen. Seit einem Jahr werden dafür an der KUE diverse Fragestellungen erforscht, Berichte verfasst, Kunstwerke kreiert und Anlässe auf die Beine gestellt.

Am Samstag der ersten Schulwoche im neuen Jahr finden die Präsentationen der diesjährigen Maturitätsarbeiten statt. Mögen sich unsere Maturandinnen und Maturanden dabei als Theaterregisseurinnen, Journalisten, App-Entwicklerinnen, Künstler, Naturwissenschafterinnen, NFT-Experten und Marketingplanerinnen fühlen.

Wir freuen uns auf spannende Einblicke und wünschen allen Präsentierenden viel Erfolg!

Karin Hunkeler

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