In vielen literarischen Werken leiden die (meist männlichen) Protagonisten unter der Schule, werden von allmächtigen Lehrer:innen gequält und sehnen sich nach Freiheit. Christoph Simon dagegen erzählt in seinem Roman «Franz oder warum Antilopen nebeneinander laufen» von einem jungen Mann, der das Gymnasium nicht verlassen möchte. Als «mein Nest, meine Muttersprache meine geschützte Werkstatt» bezeichnet Franz seine Schule, das Thuner Gymnasium, und tut alles, um möglichst lange dort zu bleiben.
Zum Glück ist bei unseren Maturandinnen und Maturanden weder das eine noch das andere der Fall: In meinen Gesprächen mit unseren 6. Klassen in der vergangenen Woche nahm ich freudige Erwartung in Anbetracht des Endes der Schulzeit wahr. Die 4 (oder 6) Jahre an der KUE empfinden die Schülerinnen und Schüler als einen langen Zeitraum, der nun ein Ende finden darf. Ihre Rückmeldungen sind nicht frei von Kritik (schliesslich hat der gymnasiale Unterricht ihren kritischen Blick geschult!), aber sie blicken insgesamt positiv auf ihre Jahre an der KUE zurück, versöhnlich, in vielen Punkten wohlwollend.
Die Kritikpunkte betreffen zum Teil das System Schule: zu früher Beginn des Unterrichts («Ich kann frühmorgens nichts aufnehmen!»), als unfair empfundene oder nicht verständliche Beurteilungen durch Lehrpersonen, das hohe Ausmass des Stresses in den Prüfungsphasen, während der Maturarbeit und bei Projekten, die sich als zu aufwändig für die vorgesehenen (Pool-)Lektionen erwiesen oder bei denen die Schüler:innen sich allein gelassen und überfordert fühlten. Viele dieser Punkte sind uns als Lehrpersonen und Schulleitung bewusst, wir müssen aber weiter daran arbeiten – individuell und als Schule – und nach Möglichkeiten der Verbesserung zu suchen. Als besonders dringliche Aufgabe legen uns die Maturand:innen die Frage der Nutzung von KI im Unterricht ans Herz.
Schmerzliche Erinnerungen der Maturand:innen haben vor allem mit den Menschen zu tun, die ihren Schulalltag prägten. Wenn ein Freund die Klasse verliess, wenn in einem Fach die Lehrperson wechselte oder wenn in einem besonderen Fall eine Klasse in zwei Klassen geteilt werden musste, wird dies als traurige Erfahrung beschrieben.
Aber auch die erfreulichsten Rückmeldungen beziehen sich auf die Menschen, denen die Schüler:innen an der KUE begegneten. Die Maturand:innen sagen, dass sie gute, entgegenkommende und freundliche Lehrer:innen hatten, die «Menschen seien» und «wollen, dass man es schön hat». Sie schätzen die hohe Motivation der Lehrpersonen und die gute Beziehung zu diesen. Das ist das schönste Kompliment, das wir bekommen können. Mindestens ebenso wichtig sind für die jungen Menschen die Freundinnen und Freunde, die sie an der KUE gewonnen haben. («Meine beste Kollegin habe ich in dieser Klasse kennengelernt und wir sind zusammen durch die guten und die schlechten Zeiten gegangen.») Diese Freundschaften nehmen sie mit als einen Schatz in das Leben nach der Schule.
Besonders gross ist die Begeisterung für alle Erlebnisse, die sich ausserhalb des Klassenzimmers abspielten. Auf die «coolen Anlässe» wie die Volleynight und den Weihnachtsball haben sie sich immer gefreut («Solche Traditionen dürfen nicht verloren gehen!»). In den Klassenlagern, auf den Studienreisen und – an erster Stelle – mit den Entdeckungsreisen hat die KUE ihnen erste Flugversuche erlaubt, wenn man das Bild des Verlassens des Nests wieder aufgreift. «Danke für die Freiheit, die ihr uns anvertraut habt, es war die beste Zeit meines Lebens!», schreibt ein Maturand.
Bemerkenswert: Besonders die Schüler:innen, die bereits das Untergymnasium besucht haben und damit die Gründungsjahre der KUE erlebt haben, nahmen das zunehmende Wachstum der Schülerschaft als Belastung wahr. Andererseits werden die Räumlichkeiten, vor allem auch der Ruheraum, und das Schulgelände der KUE lobend erwähnt: «Die KUE hat eine herrliche Atmosphäre, wo man sich wohlfühlt.»
Ich danke den Maturandinnen und Maturanden für ihre ehrlichen Rückmeldungen und freue mich, wenn wir sie am Freitag mit einem schönen gemeinsamen Fest verabschieden können.
Eugenie Bopp
WB_21_2025