Graphentheorie und andere faszinierende Dinge

Was man nicht versteht, kann attraktiv sein. Ein Schul-Beispiel dazu finden Sie im Wochenbrief.

Am Orientierungsabend vom letzten Dienstag präsentierten vier Lernende aus unseren vierten Klassen die Schwerpunktfächer, welche die KUE anbietet. Es war eine Freude zu hören, wie engagiert sich Julia, Mara, Martin und Miranda für die Fächer ihrer Wahl einsetzten.

Im letzten der drei Durchgänge überraschte ich Mara, indem ich sie bat, nicht für ihr eigenes Schwerpunktfach (Wirtschaft und Recht) Werbung zu machen, sondern für dasjenige von Martin, den sie vorher schon zweimal gehört hatte.

Sie erschrak zunächst ein bisschen, sagte aber dann: «Man sollte Anwendungen der Mathematik wählen, weil das offensichtlich faszinierend ist.»

In der Tat waren wir alle auch beglückt wegen des Schwungs und der Begeisterung, mit welcher Martin aus der Klasse 4b seine Wahl begründete. Wie er über die Graphentheorie sprach, war eine Bestätigung dafür, dass Schulstoff einen packen kann. Alle spürten, dass Martin an etwas Neues herangeführt worden war und dass er sich hat mitreissen lassen von einer Materie, die schwierig sein mag, aber faszinierend.

Das Gleiche gilt für Julia, Mara und Miranda. Sie präsentierten ihre Schwerpunktfächer Spanisch, Wirtschaft und Recht sowie Biologie und Chemie mit einem spürbaren Engagement. Alle vermochten deutlich zu machen, dass ihnen an der KUE neue Horizonte erschlossen wurden und dass sich ihr Blick auf die Welt dadurch verändert hatte. Das liegt nicht nur an den Lehrpersonen, sondern vor allem auch an der Offenheit und der Einsatzbereitschaft der Lernenden, sich auf Unbekanntes einzulassen.

Ich war stolz auf unsere Schülerinnen und Schüler. Ich bin es jetzt noch.

Ihre Aussagen und ihre Haltungen passten exakt zu dem, was wir Schulleiter bei der Vorstellung der KUE gesagt hatten: Typische Mittelschülerinnen und Mittelschüler sind neugierig, sie geben nicht schnell auf, wenn sich ein Problem als nur schwer lösbar erweist. Im Gegenteil, sie lassen sich ein auf Gebiete, die vielleicht «abgefahren» sind, auf Themen, die vielen Leuten unnütz erscheinen.

Es ist ein Privileg, das Gymnasium besuchen zu dürfen. Man bekommt die Chance und die Zeit, Dingen nachzugehen, die den persönlichen Horizont erweitern. Allerdings hat auch an den Mittelschulen die Tendenz zugenommen, dass der Unterricht nur sehr zielgerichtet im Hinblick auf ein Studium ausgerichtet werden muss. Selbstverständlich gehört die Vorbereitung auf die Hochschulen zu unseren Aufgaben – die Graphentheorie, von der Martin schwärmte, ist ein gutes Beispiel dafür –, aber vermutlich ist es noch viel wichtiger, unsere Schülerinnen und Schüler die Erfahrung machen zu lassen, dass jedes Gebiet spannend wird, wenn man sich darin vertieft.

Martin Zimmermann

PS: Beim Warten auf einen Unterrichtsbesuch in einer anderen Kantonsschule nahm ich meinen Computer hervor und schrieb an diesem Wochenbrief. Hinter mir sassen zwei Schülerinnen. Sie sprachen über Hausaufgaben. „Den Apolloniuskreis habe ich jetzt begriffen, das macht mich mega stolz: Ich verstehe Mathi!“ So muss Schule sein.

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