Hitlers Nase

Für den Schriftsteller Klaus Mann war Hitlers Nase ein Zeichen für die kommende Katastrophe. Was das mit uns zu tun haben könnte, lesen Sie im Wochenbrief

Klaus Mann (1906 – 1946) gehörte zu jenen Menschen, die von Anfang an verstanden hatten, dass Hitler und seine Bewegung Deutschland ins Unglück reissen würden. Nach der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 verliess der damals 26-jährige Schriftsteller denn auch gleich sein Heimatland und begab sich zunächst ins französische Exil. Später kämpfte er mit der amerikanischen Armee und half mit, Europa vom Nazi-Regime zu befreien.

In seinem Buch «Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht» beschreibt Klaus Mann, wie er Hitler in einem Münchner Café beobachtet, als dieser noch nicht an der Macht war. Die «fleischige, gemeine, ja obszöne Nase» wird für ihn gewissermassen zum Sinnbild der Bedrohung, die vom aufstrebenden «Führer» ausgeht. Für Klaus Mann war Hitlers Nase die Evidenz, dass eine Katastrophe bevorsteht, und sie wurde zum Zeichen dafür, dass man handeln muss.

An diese Passage musste ich in letzter Zeit häufig denken, weil es aktuell viele dramatische Bedrohungsszenarien gibt, die von sehr unterschiedlichen Positionen aus gezeichnet werden. Übersehen wir die wichtigen Zeichen, die uns dazu bringen sollten, aktiv etwas zu verändern?

Welche Evidenzen und Zeichen übersehen wir zum Beispiel, wenn wir nicht auf die Warnung der Klima-Experten hören und keinen radikalen Wandel im Lebensstil herbeiführen?

Welche Evidenzen und Zeichen übersehen wir zum Beispiel, wenn wir die Ursachen globaler Migrationsprobleme nicht nachhaltig angehen?

Welche Evidenzen und Zeichen übersehen wir zum Beispiel, wenn wir uns der Radikalisierung in der Auseinandersetzung um solche Fragen nicht entgegenstellen?

Natürlich frage ich mich auch, ob wir in der Schule Evidenzen und Zeichen übersehen, die wir auf keinen Fall übersehen dürften.

Bildung wird ja in unserer Tradition sehr stark vom Individuum aus gedacht. Man unterrichtet Jugendliche, damit sie eigenständige Menschen werden, die ihr Handeln reflektieren können und so als mündige Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen. Dagegen habe ich selbstverständlich nichts einzuwenden.

Wenn es aber stimmt, dass uns beispielsweise die Klimaerwärmung existenziell bedroht, müssten wir fundamental darauf reagieren. Möglicherweise wäre es dann nötig, Traditionen (Fächerkanon, Unterrichts- und Prüfungsformen) aufzugeben und eine andere Schule zu entwickeln. Es gälte vielleicht, Grundhaltungen zu schaffen, welche weniger das Individuum und stärker die Gemeinschaft ins Zentrum stellen.

Martin Zimmermann

Wochenbrief_2038