Humus in der ehemaligen Düngerproduktion

Die KUE wird dereinst an einen Ort mit einer bewegten Geschichte einziehen! Im aktuellen Wochenbrief der Hinweis auf einen aktuellen Film.

Vor den Frühlingsferien wurde der  Film «Uetikon und seine Chemie. Zeitzeugen erzählen» (2022) zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt.*  Der Uetikoner Historiker Rolf Käppeli hat ihn zusammen mit Alfons Fischer und der Roman Vital Produktion, Zürich, realisiert. Ich empfehle allen, sich den Dokumentarfilm anzuschauen, ein interessantes und sehr gut gemachtes Zeitdokument, das Einblick gibt in die bewegte Geschichte der Chemiefabrik. Diese schloss 2018, also genau in dem Jahr, als die KUE im August ihren Betrieb aufnahm, für immer die Tore – nach mehr als 200 Jahren.  

Der Film zeichnet anhand historischer Archivaufnahmen und aktuellen Bildern des Areals nach, wie am Uetikoner Standort produziert wurde, vor allem Dünger, und die beiden Autoren rekonstruieren, welche Gründe für den Niedergang, die Verlagerung des Standorts und die Schliessung des Werkes verantwortlich waren. Eindrücklich sind vor allem die Zeitzeugen, die zu Wort kommen. Da ist ein älterer Herr, der sich erinnert, wie er als kleiner Junge seinen Vater, einen für die Sicherheit des Betriebs zuständigen einfachen Arbeiter, regelmässig auf dem Areal besuchte und ihm immer das gleiche Mittagessen brachte, Ghackets und Hörnli. Stolz habe der Vater ihm einen Hebel gezeigt, mit dem er die ganze Fabrik runterfahren könne. Oder ein ehemaliger Laborant, der für einen Stundenlohn von 1.60 Franken in den 1950er-Jahren begonnen habe. Die Zeitzeugen werden zu ganz unterschiedlichen Themen befragt, zu den verschiedenen Arbeiten in der Fabrik, zum sozialen Leben und zur Firmenkultur, zur Rolle der Frauen oder zu Gesundheit, Sicherheit und Unfällen im Betrieb. In den gut 40 Minuten entsteht ein dichtes Bild einer fürsorglichen KMU-Kultur, die von der alles bestimmenden Unternehmerfamilie Schnorf in einem paternalistischen Führungsstil gelenkt wird. Nachgezeichnet werden auch das Verhältnis zum Dorf, ursprünglich vor allem vom Weinbau lebend, und das heutige Engagement der Gemeinde, für den so aussergewöhnlichen Standort direkt am See eine zukunftsweisende Lösung zu finden. Die Dreiteilung der Areals in halböffentlichen Schulraum, öffentliche Begegnungszone rund um den Düngerbau und privaten Wohnraum wird das 700 Meter lange Uferareal zu einem pulsierenden Ort und Uetikon zu einem Zentrum von regionaler Bedeutung machen, so auch die Zuversicht der Filmautoren. Jetzt, da der Architekturwettbewerb abgeschlossen ist und klar ist, wie die zukünftige Schule am See aussehen wird, können der Blick in die Zukunft und die Vorfreude konkret werden. Für uns als Schule ist es aber auch wichtig, die Vergangenheit des Ortes zu verstehen, wo die KUE ihre definitive Heimat finden wird.  

Die Jugendlichen werden auch in der Schule am See einen Ort haben, der sie prägt. Der Dokumentarfilm macht deutlich, wie dieser Ort von der Geschichte gezeichnet ist. Die zum Teil denkmalgeschützten Bauten, die sich mit dem Neubau verbinden werden, vermitteln spürbar die Vergangenheit als Herkunft. Dies ist wichtig, weil Schule per se auf Zukunft ausgerichtet ist, ist Bildung doch der Humus, aus dem eine Gesellschaft ihre Kraft und Vitalität zieht.

Jürg Berthold 

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*Der Film wird bis zum 22. Mai über die Plattform Vimeo gezeigt. Dazu muss man einen Gratisaccount erstellen; dann kann der Film über diesen Link mit folgendem VIP-Code angeschaut werden: 3u3l_3_TVEvS2gxd2  – Eingabe über den blauen Schriftzug Have VIP Code? rechts oberhalb des historischen Bildes!