Löhne und Schulerfolg

Sollten die Löhne der Lehrpersonen abhängig sein von den Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler? Mehr dazu im Wochenbrief.

Die Löhne der Lehrerinnen und Lehrer müssten entsprechend der Leistung ihrer Schülerinnen und Schüler festgelegt werden. So lautet eine Forderung, die kürzlich in einer Schlagzeile zu lesen war.

Das tönt doch erst mal gut: Leistungslöhne für die Berufsgruppe, die immer wieder im Verdacht steht, vor allem viel Ferien zu beziehen. Diese Forderung ist aber aus drei Gründen unsinnig.

Erstens ist der Schulerfolg nicht einzig abhängig von der Lehrperson. Man denke nur an die unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten der Lernenden. Aber auch die unterschiedlichen anderen Talente (musisch, sportlich, sozial) der Jugendlichen können sich auf schulische Leistungen auswirken. Wer zudem in einem lernfreundlichen Umfeld aufwächst, wird es in der Schule meistens einfacher haben. Vielleicht reagiert aber ein Kind gerade negativ auf Eltern, die sehr grossen Wert auf schulischen Erfolg legen. Fazit: Die Faktoren, welche Kinder an der Schule reüssieren lassen oder nicht, sind vielfältig.

Das zweite Problem liegt darin, dass schulische Leistungen nicht so gemessen werden können, wie man etwa die Grösse eines Kindes misst. Die Vorstellung, es gebe auch im schulischen Bereich genormte Masseinheiten, ist zwar weit verbreitet – man kennt zum Beispiel die politische Wirkung von PISA-Erhebungen –, aber das Problem ist komplizierter. Um nur einen Grund zu nennen: Der Unterricht der Schülerinnen und Schüler wird immer unterschiedlich sein, weil er eben in ungleichen Situationen erfolgt (Schulort, Klassengrösse, Anzahl Lektionen in einem Fach, Lehrmittel). Zentrale Tests können dieser Ausgangslage nicht Rechnung tragen.

Das dritte und vielleicht wichtigste Problem liegt darin, dass der Unterricht möglichst einheitlich erfolgen müsste, wenn man die Löhne der einzelnen Lehrpersonen über einen grossen gemeinsamen Leistungstest bestimmen möchte. Wer seine Schülerinnen und Schüler nur im Hinblick auf gute Resultate in solchen Tests drillt, wird die eigenen Stärken nicht ausspielen können und die Lernenden nicht breit genug fördern. «Teaching to the test» heisst dies in der Didaktik. Gerade am Gymnasium, wo Fachpersonen unterrichten, die mindestens über einen Masterabschluss verfügen, wäre das fatal. Man liesse eine grosse Ressource brach liegen, wenn all die gut ausgebildeten Lehrpersonen lediglich ein vorgegebenes Einheitsprogramm durcharbeiten müssten.

 

Die Freiheit, die wir in der Gestaltung des Unterrichts an den Gymnasien haben, verpflichtet uns zwar zu mehr Aufwand und überträgt uns eine grosse Verantwortung, aber sie ist für die Lernenden ein Gewinn, weil wir Lehrpersonen uns mit unserer Arbeit ganz stark identifizieren.

Martin Zimmermann

Wochenbrief_19_20