Nicht konsumieren, sondern produzieren

Ihr Ablenkungspotential ist gewaltig. Wie digitale Geräte den Unterricht möglichst störungsfrei bereichern, lesen Sie im aktuellen Wochenbrief.

 

Wenn von Schule und Digitalisierung die Rede ist, werden oft euphorische Töne angeschlagen: Digital Natives würden spielend lernen, Wissen werde immer weniger wichtig, die Vorbereitung auf die veränderten Arbeitswelten sei ein Klacks. Oder es dominieren düstere Bilder: Da geht es um Bildschirmzeiten und Suchtverhalten, um verkümmernde Handschriften oder um das Eindringen Künstlicher Intelligenz in alle Lernbereiche. Das ist alles richtig. Aber weil alles gleichzeitig irgendwie stimmt, ist das Gesamtbild verzerrt.  

Über digitalisierten Unterricht im Allgemeinen kann ich wenig sagen. Wie sich die Situation an der KUE darstellt, ist schon klarer. Und was wir fördern möchten, kann ich benennen, auch wenn die Realität noch nicht immer unseren Idealen entspricht. Nach einer nun fünfjährigen Auseinandersetzung und unzähligen Einblicken in die Unterrichtsrealität wissen wir, wo wir stehen und was noch zu tun ist.  

Klar ist, dass die Geräte ein hohes Ablenkungspotential haben. Damit kämpfen nicht nur Schüler:innen. Deshalb hat die KUE-Gesundheitsförderungskommission für die Wochen vor den Sportferien wieder Handlungsempfehlungen ausgearbeitet (Link). Was den Unterricht betrifft, so muss dieser so organisiert sein, dass wenig Gelegenheit für Ablenkung besteht. Das ist einfacher gesagt als getan, aber es kann, grob formuliert, auf zwei Weisen geschehen – mit einem sehr Wenig und einem sehr Viel an digitalen Mitteln.  

Wo Unterricht auf der Präsenz der Menschen im Klassenzimmer beruht, ist es sinnvoll, den Unterricht an dieser gemeinsamen Anwesenheit zu orientieren. Das ist für mich eine der wichtigsten Lektionen aus der Pandemie. Hier sollen der lebendige Austausch, das persönliche Gespräch, die intellektuelle Auseinandersetzung im Zentrum stehen. Die Geräte kommen dosiert, gut rhythmisiert und gezielt zum Einsatz, also mit klar kommunizierten zeitlichen Grenzen, im Wechsel mit anderen Lernformen und verbunden mit präzisen Aufträgen. Ein solcher Auftrag kann dabei auch sein, selbständig digital Notizen zu machen, wie das später an den Universitäten üblich ist. Auch das will gelernt sein, damit man sich nicht ablenken lässt – wobei zum Lernen auch immer wieder das Gespräch darüber gehört, was schon gelingt. Ein Klassenunterricht, bei dem die Geräte während der ganzen Zeit geöffnet sind, ist in meiner Erfahrung störungsanfällig – sowohl was das Ablenkungspotential betrifft als auch in Bezug auf unerwünschte KI-Beiträge.  

Die zweite Möglichkeit geht den entgegengesetzten Weg: Im Rahmen von Projektaufträgen kommen die Geräte intensiv zum Einsatz, und zwar auf allen möglichen Ebenen. Da wird recherchiert und die KI befragt. Da wird getextet, gestaltet, komponiert, gemessen und berechnet. Da wird an einer Präsentation, einem Poster, einem Pod-cast, einer Webseite, einem Video oder einem 3D-Druck gearbeitet. Und all das findet kollaborativ über Plattformen statt, wo man gemeinsam an einem Projekt arbeitet – von der Ideenskizze bis zur finalen Fassung. Ob das in definierten Unterrichtsgefässen oder ausserhalb der Unterrichtszeit, an vorbestimmten Arbeitsplätzen oder zu Hause stattfindet, ist zweitrangig. Was zählt, sind der Arbeitsprozess, die Zusammenarbeit, das Einhalten von Terminen – und natürlich die Qualität des Produkts.  

Zahllose Projekte sind in den letzten Jahren an der KUE entstanden. Einen guten Einblick geben die Berichte auf der Webseite, wunderbare Perlen gibt es da. Auch die Maturarbeiten gehören in diese Kategorie. Die Präsentationen fanden am letzten Samstag statt, die Arbeiten selbst sind noch bis zu den Sportferien in der Bibliothek Uetikon zu besichtigen. Der Anlass zur Prämierung der herausragenden Arbeiten findet am Dienstag, den 6. Februar statt. Interessierte sind herzlich eingeladen! 

Jürg Berthold 

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