Que voulez-vous que ça me fasse, à moi?

“Que voulez-vous que ça me fasse, à moi?” Lesen Sie mindestens mal den Wochenbrief zu diesem Thema.

Charles-Ferdinand Ramuz (1878 – 1947), der Schriftsteller auf der 200-Franken-Note, ist ein Meister der Beschreibungen. Besonders häufig zeichnet er in seinen Romanen das Bild des Genfersees und der Lavaux-Weinberge. 

Im 1922 erschienenen Werk „Présence de la mort“ findet man eine wunderbare Stelle, in der Ramuz zunächst aufzählt, was die Waadtländer Landschaft ausmacht. Einen Sinn bekommt diese Landschaft gemäss Ramuz‘ Text aber erst durch den Menschen. „Il organise tout de chaque côté de sa personne“, heisst es in «Présence de la mort». Durch die Wahrnehmung des Menschen bekommt die Welt eine Ordnung. Ramuz spielt mit der Mehrdeutigkeit des französischen Wortes „sens“: Es kann sowohl Richtung als auch Sinn bedeuten. Ausgehend vom Menschen, der in der Welt steht, entsteht ein Koordinatensystem, das die Welt strukturiert. Und der Mensch gibt damit dem, was er sieht, einen Sinn. 

Dabei spielt selbstverständlich auch die Tatsache eine Rolle, dass die Landschaft – zum Beispiel die Region der Lavaux – durch Menschen gestaltet worden ist. Die Weinberge sind das Ergebnis von viel Arbeit, einem tradierten Wissen und einer Kultur, welche die Gegend prägt. 

Der erwähnte Roman „Présence de la mort“ ist kürzlich zum ersten Mal auf Deutsch erschienen, und zwar unter dem Titel „Sturz in die Sonne“. Ramuz spielt darin ein Gedankenspiel durch. Wie reagieren die Menschen, wenn sie hören, dass die Welt wegen eines „Fehlers im Planetensystem“ auf die Sonne zu rast und allmählich erfahren, wie es immer heisser wird? Was passiert in einer Gesellschaft, die existentiell bedroht ist? 

Nein, Ramuz dachte kaum an Klimawandel. Vor hundert Jahren sah er andere Bedrohungen für unser Zusammenleben. 

Wenn ich den Roman hier zitiere, tue ich es aus einem vergleichsweise harmlosen Grund. Als ich las, wie Ramuz die Bewohner Lausannes reagieren lässt, als sie auf die drohende Hitzewelle und die katastrophalen Konsequenzen hingewiesen werden, erkannte ich einen vertrauten Reflex: „Que voulez-vous que ça me fasse, à moi?“ Was habe ich denn damit zu tun? 

Diese Art Zurückweisung von unangenehmen Dingen habe ich in den letzten Wochen vereinzelt auch an der KUE erlebt, als unser Adjunkt im Namen einer Kommission alle dazu aufgefordert hat, der Ordnung im Hause Sorge zu tragen. Nein, die Situation in unserem Schulhaus ist nicht katastrophal, aber wir wünschen, dass sich alle KUE-Mitglieder als Teil einer grossen Verantwortungseinheit fühlen und entsprechend handeln. Dadurch entsteht eine gemeinsame Kultur. Und wer sich in diese Kultur einschreibt und mithilft, den Lebensraum KUE zu gestalten, wird Sinn erfahren. 

Martin Zimmermann 

PS: Am Mittwoch feiern die Maturand:innen ihren letzten Schultag. Ich bin gespannt, wie sie diesen Tag gestalten werden, und freue mich auf originelle Ideen, die in unsere KUE-Kultur passen – auch wenn die Regeln für einmal etwas verändert werden. 

Wochenbrief_2322