Sinnvolles Arbeiten

Üben macht den Meister, heisst es. Stimmt das immer?

Vor vielen Jahren besuchte ich einen Jugendfreund, der damals am Konservatorium in der Ausbildung zum Trompeter war. Er war gerade dabei, Tonleitern zu üben, daneben lief im Radio Musik. Auf meine Frage, ob ihn das nicht störe, sagte er. «Nein, nein, ich höre sehr gerne ein bisschen Musik zur Arbeit.»

Diese Geschichte kam mir an unserer Weiterbildungs-Retraite in Brunnen wieder in den Sinn. An der Schule muss man in vielen Fächern immer wieder Tonleitern üben, das heisst Routinearbeit erledigen, damit sich die Kompetenzen festigen. Das gilt etwa für Termumformungen (Mathematik), Vokabular (Fremdsprachen) oder für Hochsprung (Sport). In allen Fächern liessen sich genügend Beispiele für Kenntnisse und Fertigkeiten finden, die man sich durch konsequentes Wiederholen aneignet.

Häufig wird diese Aussage denn auch verwendet, um gegen projektartiges Arbeiten zu argumentieren. Man könne nicht immer nur kreativ sein, der Drill habe auch seine Berechtigung beim Lernen.

Das ist grundsätzlich nicht falsch, aber im eingangs erwähnten Beispiel zeigt sich gut, wie drillartiges Üben geistlos sein kann. Wenn man nur mechanisch etwas macht, ohne sich selber zu beobachten, ohne sich selber zuzuhören, wird die Wirkung nicht besonders gross sein.

Das Hochsprung-Beispiel macht dies sichtbar. Unzählige Male anzulaufen und die Latte immer zu reissen, ist sinnlos. In einem guten Training analysiere ich meinen Bewegungsablauf und probiere Veränderungen aus. Wiederholung ohne Reflexion führt nicht oder nur langsamer zum Ziel.

Auch in Projekten sind solche übungsartige Aktivitäten wichtig. In meinem Fach (Deutsch) wäre das zum Beispiel die Formulierung eines Briefes. Nehmen wir an, es gehe darum, Sponsoren zu finden, dann wird man sehr sorgfältig überlegen, wie man die Anfrage schreibt. Vermutlich bespricht man den Brief mehrmals und optimiert ihn, bis man davon überzeugt ist, dass er die gewünschte Wirkung erzielen wird.

Auch beim Üben von Musikstücken verfolgt man einen Zweck. Man kann dazu eben keine andere Musik hören, sondern man widmet sich ganz dem Stück, an dem man so lange feilt, bis es die Zuhörer:innen wird berühren und bewegen können.

Für die KUE stehen in der aktuellen Themenwoche Herbst nun aber sicher andere Dinge als sinnvolles Üben im Vordergrund. Ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern sowie allen Lehrerinnen und Lehrern, dass sie viele interessante Erfahrungen und spannende Entdeckungen machen – in Anlehnung an ein Lied, das wir Lehrer:innen an der Retraite gemeinsam sangen –: Vom Tessin bis in den Jura, von Napoli bis Bristol.

Für die anschliessenden Ferien wünsche ich allen KUE-Angehörigen eine gute Zeit, ganz besonders den 6.-Klässler:innen, die ihre Maturarbeit fertigstellen. Ich hoffe, sie werden angemessenen Stolz empfinden, wenn sie ihr persönliches Projekt abschliessen. Und ich hoffe, dass sie ihre Arbeit für sich selber als gewinnbringend haben erfahren können.

Martin Zimmermann

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