Von Menschen und Tischen

Wie halten Sie’s mit dem Gendersternchen? Mehr zu dieser neuen Gretchenfrage im Wochenbrief.

Das Gendersternchen löst heftige Diskussionen aus. Es steht offenbar einiges auf dem Spiel, sonst würden nicht so viele Emotionen frei bei diesem Thema. Das zeigt auch die Tatsache, dass die beiden grossen Zürcher Zeitungen das «Gendern» in den letzten Tagen und Wochen mehrmals in Meinungsartikeln aufgegriffen haben.

Und Sie, wie halten Sie es denn mit dem Gendersternchen?

Ich persönlich bin skeptisch, und zwar nicht, weil ich das Problem verneinen würde, das hinter den Bemühungen um eine geschlechtergerechte Sprache steckt.

Selbstverständlich gibt es immer noch zu viele gesellschaftliche Ungleichheiten, die auf die Zuschreibung des Geschlechts zurückgehen. Und es stimmt, dass die sprachliche Unterscheidung zwischen maskulin und feminin nicht allen Selbstwahrnehmungen und Selbstzuschreibungen gerecht wird. Das ist ein Problem.

Mit dem Gendersternchen löst man dieses Problem aber nicht. Wörter sind in einem gewissen Sinn immer unscharf. Wer «Tisch» sagt, kann damit runde, eckige, grosse, kleine, dreibeinige, vierbeinige etc. Tische meinen. Niemand käme deswegen auf die Idee, ein zusätzliches Zeichen einzuführen, um die vielfältigen Bedeutungsmöglichkeiten von «Tisch» zu markieren.

Ich verwende lieber Doppelformen («Schülerinnen und Schüler») als Gendersternchen – im Wissen darum, dass diese Lösung nicht vollkommen ist. So berücksichtige ich zum Beispiel damit die geschätzten knapp 2 Prozent von intergeschlechtlichen Personen nicht. Auch Menschen, die sich weder als weiblich oder als männlich verstehen, könnten sich ausgeschlossen fühlen. Es wird aber bei Gruppenbezeichnungen immer eine Unschärfe geben, weil ein Überbegriff Eigenschaften nicht berücksichtigt, die einzelnen Menschen vielleicht sehr wichtig sind. Man ist ja nie nur «Schülerin» oder «Schüler», man ist auch sportbegeistert, religiös, musikalisch, homosexuell, politisch etc.

Wer Gendersternchen verwendet, mag darauf hinweisen, dass er oder sie die Problematik ernst nimmt und «woke» ist. Auch wir setzen es in offiziellen Schultexten ein. Aber das Grundproblem, wie man sprachlich allen Menschen gerecht wird, löst das Gendersternchen nicht. Dies wird sehr deutlich in Tweet-Accounts, in denen zwar wunderbar «gegendert» wird, in denen aber Polizistinnen und Polizisten nur als «Bullen» bezeichnet werden. Das ist menschenverachtend – trotz aller «Wokeness».

Viel wichtiger als das Gendersterchen ist die Haltung, die man in Texten und Taten vertritt.

Martin Zimmermann

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