Vorbilder

Der Wochenbrief berichtet von einer persönlichen Erfahrung, die auch für die Schule bedeutsam sein kann.

Meine fünfjährige Tochter ist wieder zuhause – nach fast einem halben Jahr auf der Intensivstation des Kinderspitals und drei Monaten Rehaklinik. Diese persönliche Information teile ich hier, weil ich sehr dankbar bin für die grosse Unterstützung, die ich durch die KUE-Angehörigen erleben durfte.

Ich benutze die Gelegenheit aber auch, um von Spital-Erfahrungen zu berichten, die für uns als Schule wertvolle Anregungen geben können.

Auf der Intensivstation und in der Reha war ich unglaublich beeindruckt von den vielen Frauen und den Männern, die dort arbeiten. (Dass zwei davon je ein Kind an der KUE haben, mag irrelevant scheinen, aber es freute mich trotzdem.)

Das Personal suchte immer individuelle Lösungen für die Patient:innen. Trotz aller Belastung investierten die einzelnen Pflegepersonen oder die Ärzt:innen viel Zeit, um den unterschiedlichsten Bedürfnissen jedes Kindes gerecht zu werden. Wie kann man es möglichst günstig lagern? Welche adäquate Beschäftigung kann zum Beispiel in der Ergotherapie eingerichtet werden? Wie kann man einen Wunsch erfüllen, der etwas Ablenkung vom Spitalalltag bringt? Immer wieder kam es vor, dass eine Pflegende zu einer Patientin kam und fragte: „Kann ich dir noch etwas Gutes tun“?

Natürlich lässt sich das Spital nicht in allen Punkten mit der Situation in einer Klasse vergleichen. Trotzdem nehme ich die Anregung gerne mit: Wir sollen nie vergessen, dass die Ausgangslagen der einzelnen Schüler:innen unterschiedlich sind. Alle über den gleichen (Noten-)Kamm zu scheren, ist problematisch. Wichtiger als Noten ist die individuelle Entwicklung jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers.

Die Arbeitsbelastung der Leute im Gesundheitswesen ist gross. Wir wissen es aus der Zeitung, und ich habe es hautnah miterlebt. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist es unter den Pflegenden üblich, dass sie ihre Hilfe anbieten, wenn sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigt haben. Immer wieder hörte ich wie eine Kollegin eine andere fragte: „Kann ich dir eine Hand geben?“ Das ist grossartig und für viele Lebensbereiche vorbildhaft.

Was mich ganz besonders berührt hat: Einzelne Ärztinnen und Pflegende schrieben sogar aus ihren Ferien meiner Tochter einen Brief oder einen Kartengruss. Das Engagement beschränkte sich nicht nur auf die Arbeitszeiten. Diese Form von Einsatz ist zweifellos an der Schule im Zuge der sogenannten Professionalisierung etwas zu stark eingeschränkt worden. Wir dürfen unser pädagogisches Ethos auch über die Lektionenzeiten hinaus zeigen – innerhalb der selbstverständlichen Grenzen.

Individualisierung, Zusammenarbeit, persönliches Engagement. Das sind die drei Stichworte, die ich aus der Spitalerfahrung mitnehme. Ich bin überzeugt, dass sie für die Schule wegweisend sein können.

Und es erfüllt mich mit grosser Freude, dass ich – mutatis mutandis – genau das an der KUE erlebt habe. Man ging auf meine spezielle Situation ein, übernahm Aufgaben von mir und zeigte mir immer wieder Zeichen der Verbundenheit.

Ich bin allen KUE-Angehörigen sehr dankbar für die Unterstützung.

Martin Zimmermann

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