Was den schulischen Rahmen sprengt

Kreativität hat viele Farben, auch bei den Maturitätsarbeiten. Wie sich die Jury davon ein Bild machte, lesen Sie im aktuellen Wochenbrief.

Am ersten Schultag des neuen Jahres hat die Maturitätsarbeitsjury zum zweiten Mal getagt. In einer intensiven Sitzung hat man diskutiert und entschieden, welche Arbeiten des ersten KUE-Jahrganges ausgezeichnet werden sollen. Von den Betreuungspersonen und Zweitbewerter:innen waren acht Arbeiten für einen Preis vorgeschlagen worden. Was ist da nicht alles zusammengekommen! Und wie unterschiedlich nicht nur vom Thema, sondern auch von der Form her sind die vorgeschlagenen Arbeiten! Da gibt es einen Film zum Thema Gehirnerschütterung, eine App für die Vermittlung von Nachhilfeangeboten im Schulalltag und eine, die maschinelles Lernen zur Schrifterkennung einsetzt. Da gibt es eine programmierte Modellierung von Bewegungen von mehreren Körpern im Universum, eine künstlerisch-gestalterische Recherche zum Prozess der eigenen Kreativität neben einer empirischen Recherche zur Performance von Hedgefonds und Investmentbanken während der Finanz- und der Coronakrise. Da gibt es eingespielte Lieder, getextet, komponiert, gespielt und aufgenommen, neben einem Vorschlag für eine Erweiterung der Gesundheitskonzepte von Mittelschulen. Alle Arbeiten sind auf ihre Weise einzigartig, und das haben sie gemeinsam mit den rund 40 anderen Arbeiten, die in den vergangenen acht Monaten entstanden sind. Was die vorgeschlagenen Arbeiten auszeichnet: Die Betreuungspersonen und die Zweitbewerter:innen waren sich einig, dass diese Arbeiten eine besondere Erwähnung, resp. eine Auszeichnung verdienen, und legten in ihren Gutachten die Gründe dafür dar. Alle Arbeiten sprengen den Rahmen dessen, was in einem schulischen Kontext auch von sehr guten Arbeiten erwartet werden kann.  

Über die Ferien hatte die neunköpfige Jury* alle Arbeiten eingehend studiert. In der ersten Sitzung vor den Ferien war man sich einig gewesen, dass es bei der formalen und inhaltlichen Verschiedenheit der Arbeiten unmöglich ist, sehr spezifische Kriterien zu formulieren. Eine Arbeit scheint aber auszeichnungswürdig zu sein, wenn sie eine grosse Eigenständigkeit besitzt, als Ganze in ihrer Kohärenz überzeugt und gegebenenfalls in einem entsprechenden ausserschulischen Kontext bestehen könnte. Zum Prämierungsanlass am Donnerstag vor den Sportferien sind die Eltern der 6. Klassen herzlich eingeladen.  

Arbeiten auszuzeichnen ist eine Tradition, die es seit der Einführung der Maturaarbeiten vor nun fast 30 Jahren gibt – und zwar an den einzelnen Schulen, in den Kantonen und schweizweit. Arbeiten so hervorzuheben ist nicht unproblematisch. Es gibt Unwägbarkeiten der Bewertung und Gesamturteile sind nie objektiv, auch wenn man sich darum bemüht. Es ist auch nicht zu vermeiden, dass es Enttäuschungen gibt, bei allen, deren Arbeiten nicht vorgeschlagen wurden, oder bei jenen, die am Schluss keinen Preis entgegennehmen dürfen. Wichtig ist deshalb, dass man bei allem Reden über Ausserordentliches nicht vergisst, worum es bei allen gegangen ist, nämlich darum, ein eigenes grosses Projekt hartnäckig zu verfolgen und seinen eigenen Ideen Gestalt zu verleihen. Der Besuch der Ausstellung in der Gemeindebibliothek, ab Ende Januar, sei deshalb allen wärmsten empfohlen, um sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen von der Breite und der Buntheit der KUE.

Jürg Berthold 

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* Zur Jury gehören neben der Schulleitung und Orlando Caduff, dem Beauftragten für das Maturjahr, als Mitglied der Schulkommission Hugo Stocker (ETH), als Vertreterinnen der Lehrerschaft Hannah Raschle (BG), Catherine Robin (GG) und Aline Widmer (Bio) und Bruno Schmidt und Andi Schmid als Vertreter der IG-Eltern. Da Jürg Berthold und Orlando Caduff als Betreuer von Maturarbeiten selbst je eine Arbeit vorgeschlagen hatten, traten sie in der entscheidenden Diskussion in den Ausstand.