Kraftwerk KUE

An der KUE-Retraite standen Sinn des Unterrichts, gesellschaftliche Polarisierung und die Weiterentwicklung der Schule am See im Zentrum.

Geografielehrerin Catherine Robin auf der Bühne im Kraftwerk (Bilder Deborah Grunder).

Ein vielfältiges Programm erwartete am Donnerstagmorgen die KUE-Lehrpersonen im ehemaligen Kraftwerk Selnau (heute «Impact Hub»), wo der erste Tag der Retraite stattfand. Nach den Eröffnungsworten von Rektor Jürg Berthold gab es zunächst ein unterhaltsames Improvisations-Warmup der Theatergruppe «Anundpfirsich».

Anschliessend erläuterte Prorektorin Jenny Bopp den Anlass der Retraite: An der externen Evaluation der KUE 2025 (Cem/Ces-Evaluation) wurde die Schule zwar sehr gut bewertet, aber es gab eine Diskrepanz in einer Umfrage, die von Lehrpersonen und Schüler:innen ausgefüllt worden war. Die Lehrpersonen beurteilten nämlich die Partizipation und die Sinnhaftigkeit des Unterrichts für Schüler:innen um einiges besser als die Schüler:innen selbst.

In der Folge ging es also darum, wie die beiden Punkte noch besser im Unterricht verankert werden könnten. Dazu gaben zunächst fünf Lehrpersonen kurze Inputs: Bei Michèle Mühlebach (Geschichte) etwa konnten Schüler:innen selbstständig Videos zum Kalten Krieg drehen, was sie gerne taten und damit die Sinnhaftigkeit des Stoffs für sie und auch ihre Partizipation zeigten. Bei Moritz Rövekamp (Biologie) konnten die Schüler:innen Ergebnisse eines Gartenprojekts in einer mündlichen «Zielkonferenz» selbstständig vorstellen und diskutieren – was auch den Vorteil hatte, dass die Lehrperson die Konferenz später hören und so den Lernstand erheben konnten.

«Die Welt ist voller Dinge, die wir unterrichten»
Catherine Robin (Geografie) betonte, dass der Sinn des Unterrichtes stark von der Perspektive abhänge, und die eines Jugendlichen sei nun mal eine andere als jene der Lehrpersonen. «Die Welt ist voller Dinge, die wir unterrichten», meinte sie und zeigte anhand eines Endlagers für radioaktive Abfälle, dass auch Geologie unmittelbare Bedeutung für Schüler:innen habe. In der Folge wurde das Thema in den Fachschaften weiter vertieft und konkrete Unterrichtseinheiten formuliert.

Nach dem Mittagessen improvisierte noch einmal «Anundpfirsich», bevor in Workshops Unterrichtsthemen mit sechs Expert:innen behandelt wurden. Zum Beispiel die Frage, wie man mit Diversität umgehen soll (mit Schulkommissionsmitglied Miriam Walther und Kathrin Veser), wie man als Klassenlehrpersonen auftreten sollte (mit Rudolf Pletzer) oder wie man gewaltfrei kommunizieren kann (mit Susanne Ledergerber).

Der zweite Tag der Retraite fand dann an der KUE statt. Thema war zunächst die zunehmende Polarisierung in der Politik. MNG-Geschichtslehrer Valentin Schönherr erläuterte dazu den «Beutelsbacher Konsens», der drei Prinzipien eines ausgewogenen, auf demokratischen Füssen stehenden Unterrichts festhält: Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot und Indoktrinationverbot. Schönherr, 1972 in der DDR geboren, kannte aus eigener Erfahrung Unterricht, der diesen Prinzipien nicht folgte.

In der Gegenwart, in der die Polarisierung stark zunehme und sich auch in radikalen politischen Schüler:innenhaltungen widerspiegle, sei der Konsens schwierig umzusetzen. «Das Überwältigungsgebot ist nicht einfach einzuhalten, weil die Schüler:innen ja unsere Haltung wissen wollen, und das Kontroversitätsgebot ist ein Ideal, dem man sich nur annähern kann.» Bei schwierigen politischen Diskussionen müssten Lehrpersonen immer wieder auch die eigene Position überdenken, transparent machen und «argumentativ aufdröseln.»

«Mut zur Regie»
Auch die Arbeit an der Sprache und am genauen Formulieren sei im Unterricht wichtig. Zudem sollte man «Mut zur Regie» haben, Diskussionen auch einmal vertagen und nicht «über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird». Der Beutelsbacher Konsens sei zwar sicher ein guter Kompass, aber kein Wanderführer für Sonntagsspaziergänge.

In den darauffolgenden sieben Workshops wurden weitere schwierige Unterrichtssituationen diskutiert: Zum Beispiel, was zu tun ist, wenn Schüler:innen das N-Wort verwenden oder sich misogyn verhalten (mit Vivian Frei, dem Beauftragen für Gewaltprävention des Kantons Zürich), oder wie man reagieren soll, wenn der Gaza-Konflikt die Schülerschaft stark polarisiere (mit Miryam Eser Davolio, Professorin für Soziale Arbeit an der ZHAW). Fazit: In schwierigen Unterrichtssituation ist Fingerspitzengefühl gefragt, jede Situation muss individuell beurteilt werden, ein Schritt zurück auf die Metaebene ist hilfreich, und der Kontakt zu radikalen Schülern sollte nicht abgebrochen werden.

Vom Kraftwerk zum See: Als Abschluss der nahrhaften Retraite entwickelten und schärften die KUE-Lehrpersonen in Gruppen Unterrichtsvorstellungen und -konzepte für den geplanten Umzug der Schule an den See.