Anfänge
Die erste Woche des Schuljahres hat einen besonderen Zauber. Alle sind erfüllt von den Eindrücken der Sommerpause. Ein Neustart ist es für alle, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise! Für die 108 Schüler:innen, die ins Langgymnasium eintreten, und die 153, die das Kurzgymnasium beginnen, ist der Wechsel an die Kantonsschule ein langersehnter und hart erarbeiteter Schritt. Sie haben jetzt zum Teil längere Schulwege, sind in ungewohnter Umgebung und müssen sich auf neue Lehrpersonen, neue Fächer und einen ganz anderen Betrieb einstellen. Sie werden neue Kolleg:innen finden, vielleicht lebenslange Freundschaften knüpfen. Für alle, die neu an der KUE sind, beginnt aber auch die Probezeit, der zweite Teil des Aufnahmeverfahrens. In das Gefühl der Freude mischt sich deshalb auch das Bangen, ob man es schaffen wird.
Auch für die Eingesessenen steht mit dem Schuljahresanfang Neues an. Man ist in einer neuen Klassenstufe, der Matur ein Stück näher. Vielleicht kommt ein neues Fach hinzu, vielleicht gibt es einen Wechsel im Lehrpersonenteam, vielleicht kommt jemand neu in die Klasse. Was wird wohl das nächste Buch sein, das wir im Englischunterricht lesen? Werde ich das neue Gebiet in Chemie verstehen, wenn ich von Anfang an besser aufpasse? Gelingt es mir, mich mehr am Unterricht zu beteiligen? Geht es meiner Kollegin nach den Ferien besser?
Auch im KUE-Team gibt es Neuerungen. Es beginnt ein gutes Dutzend neuer Lehrpersonen, die seit dem Willkommensanlass im Juni Teil von uns sind. Veränderungen gibt es ebenfalls in der Schulleitung: Mit Eugenie Bopp haben wir eine neue Prorektorin, die endlich richtig starten kann, nachdem sie im letzten Semester jeweils einen halben Tag an der KUE war, um sich einzuarbeiten. Auch für mich selbst gibt es eine Veränderung: Ich beginne das Schuljahr neu als Rektor der KUE, nachdem die Stabübergabe von Martin Zimmermann erfolgt ist.
Vor etwas mehr als 200 Jahren schrieb der Philosoph G.W.F. Hegel in einer berühmten Passage über das Anfangen: «Man muss zugeben, dass (…) das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund (…) ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird.» Das heisst: Jeder Anfang knüpft immer an etwas an. Er hängt ab von dem, was vorher war. Führt weiter, was zu ihm geführt hat. Keine Geschichte ohne Vorgeschichte. Betrachtet man die obigen Beispiele unter diesem Blickwinkel, wird klar: Es sind alles keine Neuanfänge, sondern letztlich Fortsetzungen.
Man kann das bedauern, weil man mit einer radikalen Veränderung gerechnet hat. Man kann daraus aber auch Hoffnung schöpfen. Ganz sicher ist im Licht dieser Überlegung das obige Bild vom Start ins Rennen falsch. Wir kommen alle von woher und gehen weiter. Es ist mehr ein Weitermachen, auch wenn es für einen Moment so scheinen mag, als sei alles anders. Der Zauber, der jedem Anfangen innewohnt, hängt mit dieser Täuschung zusammen. Die Mittelschulzeit ist auch kein Rennen hin zum Ziel, der Matur, und die Schule ist kein Wettkampffeld, auch wenn es bisweilen so scheinen mag. Man ist Teil einer Klasse, ist Teil eines Beziehungsnetzes, das einen trägt, arbeitet in einem Team. So jedenfalls möchten wir, dass es sich anfühlt an der KUE.
Ich wünsche allen für die Fortsetzung ihrer Wege alles Gute! Und jenen, die sich an der KUE bewähren müssen, viel Erfolg.
Jürg Berthold
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